Podcast: Präsident Bundesapothekerkammer zur Patientensicherheit

Der Internationale Tag der Patientensicherheit am 17. September ist ein Aktionstag der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Er steht unter dem Motto Medikamente ohne Schaden. Wir haben zu unserem vierten DZVhÄ-Podcast den Präsidenten der Bundesapothekerkammer eingeladen, Herrn Thomas Benkert, und fragen ihn, welche Rolle die Beratung in der Apotheke für die Patientensicherheit spielt. Und wir sprechen mit Dr. Ulf Riker, Internist und Vorstandsmitglied im DZVhÄ, über Patientensicherheit im Miteinander von konventioneller und homöopathischer Medizin.

Dr. Ulf Riker, Internist:

„Es ist unsere Aufgabe als homöopathisch tätige Ärztinnen und Ärzte, die Patient:innen dort abzuholen, wo sie als kranke Menschen stehen. Wir müssen ihre Befunde kennen, aber auch ihr subjektives Befinden, ihre Ängste und ihre Wünsche wahrnehmen, ernstnehmen und darauf eingehen. Das kann bedeuten, dass ich einem Patienten sage: Ja, ich kann Ihnen in der konkreten Krankheitssituation eine homöopathische Begleitung anbieten. Oder ich muss sagen: Nein, ich denke, Sie sollten zunächst auf konventionelle Medizin setzen, damit Komplikationen oder irreversible Gewebe- oder Organschäden vermieden werden.“

Thomas Benkert, Apotheker:

„Wir müssen in der Beratung in der Apotheke zunächst abklären, ob der Kunde mit den Beschwerden, für die er die homöopathische Arznei kauft, bereits in einer ärztlichen Behandlung ist. Wir fragen auch, ob regelmäßig Medikamente genommen werden und wenn ja, welche. Es wäre natürlich ein Eklat, wenn dieser Kunde ein Bluthochdruckmittel absetzen würde, um es durch ein homöopathisches zu ersetzen. Aber: Homöopathische Arzneien haben ihre Berechtigung und sie gehören als Arzneimittel in die Apotheke. Es bedarf der fachlichen Beratung durch Apotheker:innen im Sinne der Patientensicherheit.

Diese DZVhÄ-Podcasts sind bisher erschienen

  • Die Integrative Medizin – Dr. med. Michaela Geiger, 1. Vorsitzende des DZVhÄ im Gespräch mit Robert Schmidt, Chefarzt des Münchner Krankenhauses für Naturheilweisen über die Integrative Medizin in Praxis und Klinik.

  • Über die Vielfalt in der Medizin – Dr. med. Michaela Geiger und Dr. med. Ulf Riker, Vorstände des DZVhÄ, berichten u.a. an Beispielen aus der eigenen Praxis, warum Pluralismus und Therapiefreiheit wichtige Werte in der Medizin sind.

  • Die Anamnese in der Homöopathie – Dr. med. Michaela Geiger und Dr. med. Alexandra Schulze-Rohr, Vorstände des DZVhÄ, sprechen darüber, wie sich in der Homöopathie das diagnostische Gespräch mit der klinischen Diagnostik zu einer Medizin verbindet.
2022-09-14T19:50:19+02:00

Kommentar: EVIDENZ und ERFAHRUNG – kein Widerspruch!

„Die Summe aus externer und interner Evidenz muss stimmen“

Dieser Satz stammt von …. Lauterbach? Falsch! Hirschhausen? Schön wär`s! Grams-Nobmann? Voll daneben! Sie brauchen noch ein bisschen mehr Information…? Sehr gerne, wie wär`s damit:

„Wenn in der Frage, die ein Patient aufwirft, keine randomisierte Studie durchgeführt wurde, ist nach der nächstbesten Evidenz zu suchen und diese zu nutzen“

 Sie ahnen schon was? Sie brauchen noch etwas Hilfe? Also:

„In dem Maße, wie der Grad der externen Evidenz abnimmt, muss die interne Evidenz (ärztliche Kunst, Kompetenz) zunehmen“

 Also bitte, jetzt sind Sie aber schon ganz nah dran! Sie meinen, der letzte Satz sei aus dem Zusammenhang gerissen? Bitte schön, so geht’s weiter im Text:

„Nur die Zunahme an interner Evidenz vermeidet in diesen Situationen eine unkontrollierbare Beliebigkeit in der Therapieentscheidung. Denn gerade in diesen Situationen kommt der Kompetenz  des Arztes, seinem Können und seiner Erfahrung die entscheidende Bedeutung zu.“

Und dann kommt der erste oben zitierte Satz, da capo. Eine runde Sache eigentlich! Und sie stammt von David Sackett, dem Begründer der Evidenzbasierten Medizin!

Es entspricht der medizinischen „Leitkultur“ unserer Tage, ausschließlich (natur-) wissenschaftlichen Studienergebnissen auf dem Altar des positivistischen Zeitgeistes zu huldigen. Wer zaghaft oder auch selbstbewusst darauf hinweist, dass es daneben auch noch eine, in der Praxis gewachsene Erfahrung gibt, der oder die wird sehr rasch als Ketzer denunziert und auf dem Scheiterhaufen der reinen medizinischen Lehre verbrannt. Zumindest, wenn es um Homöopathie geht: da gibt es einen Shitstorm, wenn man sich auf Erfahrung beruft, z.B. so (auf Twitter, und das ist die absolut harmlose Variante): Erfahrung? Ich kann es nicht mehr hören. Evidenz bedeutet Wissenschaft, der Rest kann weg… und so weiter.

Sehr geehrte Ordinarien medizinischer Fakultäten, liebe Chef- und Oberärzte, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der primärärztlichen Basisversorgung: kommen Sie alle ohne Ihre Erfahrungen aus jahre- und jahrzehntelanger Praxistätigkeit aus? Folgen Sie nur noch vorgegebenen Therapie-Algorithmen? Machen Sie sich und wir uns nicht als Menschen Schritt für Schritt überflüssig? Was machen wir in unklaren Entscheidungssituationen, bei multimorbiden Patienten, bei unerwartetem Nichtansprechen unserer Therapieentscheidungen, bei nicht tolerierbaren Wechsel- oder Nebenwirkungen unserer evidenzbasierten Standart-Therapien? Oder bei Menschen am Ende ihres Lebens, wenn manche Therapieoptionen ausgeschlossen, kontraindiziert oder von den Betroffenen schlicht  nicht (mehr) gewünscht werden?

Wie oft gelingt es uns denn, einen durch biomathematische Verfahren definierten „Normalpatienten“ mit einem individuellen Kranken zu vergleichen und ihm zu 100 Prozent gerecht zu werden? Ist es bewiesen, dass eine individuelle und erfahrungsgestützte Therapie im Einzelfall weniger zielführend ist als eine streng an Kriterien der Evidenzbasierung orientierte Behandlung? Die evidenzbasierte Medizin ist eine wesentliche Errungenschaft im Kampf gegen Beliebigkeit in der Therapie. Aber, wie schon Sackett hervorhob, ist EbM eben nicht nur der alternativlose Verweis auf wissenschaftliche Studienergebnisse, sondern beinhaltet  ein „Sowohl, als auch“, also das neben- und miteinander von Wissenschaft und Erfahrung. Wie Sackett es eben so treffend formuliert hat: Die Summe aus Beidem muss stimmen.

Die Homöopathie wegen – angeblichen! – Mangels an wissenschaftlichen Studienergebnissen aus Köpfen, Herzen und Weiterbildungsordnungen zu streichen ist nicht rational, sondern weltanschaulich begründet. Indem man die vorhandenen Ergebnisse aus Grundlagen- und Versorgungsforschung negiert, wird im aktuellen Diskurs auch gleich der Wert von ärztlicher Erfahrung über Bord gekippt. Von den positiven Erfahrungen zahlloser Patientinnen und Patienten ganz zu schweigen! Es wird der Einfachheit halber unterstellt, dass auch die Erfahrung der Menschen bedeutungslos wären, weil die Wissenschaft es allemal besser weiß, was einem kranken Menschen gut zu tun hat und was nicht. Diese Sicht hat, mit Verlaub, etwas selbstgerecht Autoritäres an sich, und die Zensur alternativer Behandlungsoptionen wie der Homöopathie ist, wie jede Zensur auch ein potenzieller Schritt in die Unfreiheit. Dagegen sollten sich all jene wehren, denen ihre persönlichen, aber auch die politischen Freiheiten wichtig und wertvoll sind, die uns unsere freiheitliche Demokratie bietet!

Dr. med. Ulf Riker, 2. DZVhÄ-Vorsitzender

2022-07-25T17:32:10+02:00

Weltweite Deklaration für Integrative Medizin

Mit dieser Deklaration für Traditionelle, Komplementäre und Integrative Gesundheitsversorgung soll weltweit der Blick auf den Pluralismus in der Medizin gerichtet werden. Zu den Initiatoren gehören u.a. EUROCAM und die European Federation of Homeopathic Patients’ Associations. Bereits 130 Organisationen, darunter der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ), WissHom und das HRI, haben die Deklaration an die WHO unterschrieben. Neben den Organisationen und Verbänden unterstützen auch Einzelpersonen die Forderungen.

Dr. med. Michaela Geiger, DZVhÄ-Vorsitzende: „Wir unterstützen diese Deklaration für traditionelle, komplementäre und integrative Versorgung. Sie ist ein starkes Signal im Schulterschluss mit vielen nationalen und internationalen Verbänden. Besonders für Deutschland fordern wir einen offenen wissenschaftlichen Diskurs, mehr Forschungsgelder und mehr Nachwuchsförderung im Bereich der Integrativen Medizin.“

Traditionelle, Komplementäre und Integrative Gesundheitsversorgung (Traditional, Complementary and Integrative Healthcare, TCIH) steht für eine respektvolle Zusammenarbeit zwischen verschiedenen medizinischen Systemen und unterschiedlichen Gesundheitsberufen. Das Ziel ist eine patientenzentrierte und ganzheitlich ansetzende Gesundheitsversorgung. In mindestens 80 Prozent der Mitgliedstaaten der WHO wird traditionelle und komplementäre Medizin angewendet.

Zentrale Inhalte der Deklaration

Die Gesundheitsversorgung, die wir wollen

  • fokussiert auf den ganzen Menschen mit seinen physischen, mentalen, sozialen und spirituellen Dimensione
  • ist patientenzentriert und unterstützt die körpereigenen Regulationsfähigkeiten
  • ist partizipativ angelegt und respektiert individuelle Entscheidungen
  • ist evidenzbasiert, indem sie klinische Erfahrungen, Patientenpräferenzen sowie vorhandene Forschungsergebnisse integrier
  • respektiert kulturelle Diversität und regionale Unterschiede
  • ist ein integraler Bestandteil der internationalen Konzepte von „Community Health“ und „Planetary Health“
  • nutzt natürliche und nachhaltige Ressourcen
  • integriert traditionelle, komplementäre und konventionelle medizinische Verfahren und unterstützt diese Zusammenarbeit ausdrücklich.

Wir respektieren ausdrücklich die Errungenschaften der modernen konventionellen Medizin, wir sehen aber auch deren Begrenzungen, zum Beispiel:

  • ungenügende Therapieoptionen bei chronischen und nicht-übertragbaren Erkrankungen
  • häufige Nebenwirkungen der konventionellen Therapieoptionen und steigende Antibiotika-Resistenzen
  • Fragmentierung und Spartendenken innerhalb der medizinischen Versorgung durch eine zunehmende Spezialisierung der Gesundheitsberufe
  • Limitation durch eine ausschließlich auf Krankheit fokussierte Perspektive.

Wir fordern

  • Zugang zu TCIH als Teil des rechtlichen Anspruchs auf Gesundheitsversorgung für alle Menschen
  • Integration von TCIH in die nationalen Gesundheitssystem
  • Geregelte Akkreditierung für Gesundheitsberufe in Abstimmung mit internationalen Ausbildungsstandard
  • Ermöglichung von Zugängen zu TCIH-Arzneimittel durch spezifische Zulassungsverfahren
  • Förderung von TCIH Forschungsprojekten
  • Bereitstellung von ausgewogenen und qualitativ hochwertigen Patienteninformationen zu TCIH.

Alle Informationen zu der Deklaration und der Zugang zur Online-Petition erhalten Sie hier.

2022-07-21T09:49:10+02:00
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