Homöopathie für Apotheker:innen muss erhalten bleiben

Berlin, 14. September 2022. Die Berliner Apothekerkammer beantragt auf dem Deutschen Apothekertag (14.-16. September 2022) die Weiterbildung Homöopathie für Apotheker:innen zu streichen. Aus Sicht des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) muss dieser Antrag abgelehnt werden, da vor allem die Patintensicherheit darunter leiden würde.

Die Weiterbildung Homöopathie für Apothekerinnen und Apotheker muss erhalten bleiben

Der DZVhÄ lehnt den Antrag der Berliner Apothekerkammer auf dem Deutschen Apothekertag entschieden ab. Der Berliner Antrag wird damit begründet, dass die Führung des Titels „Apotheker:in für Naturheilverfahren und Homöopathie“ suggerieren würde, „dass die Homöopathie eine wissenschaftlich anerkannte und evidenzbasierte Arzneimitteltherapie ist“.

Dr. med. Michaela Geiger, 1. DZVhÄ-Vorsitzende: „Homöopathie ist eine wissenschafts-basierte Methode, sie erfüllt alle Kriterien der auf drei Säulen stehenden evidenz-basierten Medizin. Die Beratungskompetenz der Apothekerinnen und Apotheker im Bereich Homöopathie dient der Patientensicherheit. Rund 90 Prozent der homöopathischen Arzneien werden ohne Verordnung verkauft.“

Aus diesen Gründen lehnt der DZVhÄ den Berliner Antrag ab: 

  • Arzneimittelstatus und Apothekenpflicht von Homöopathika

Homöopathika sind Arzneimittel, sowohl im nationalen Recht (Arzneimittelgesetz, z.B. §§ 4, 38, 39, 63c) als auch im Europarecht (Directive 2001 83/EC; z.B. Art. 14, Art. 16) und unterliegen der Apothekenpflicht. Weitere Regularien für Homöopathika finden sich beispielsweise in der Arzneimittelverschreibungsverordnung und im Betäubungsmittelgesetz (ausgenommene Zubereitungen).

Die gesetzlichen Grundlagen sind zwar Teil des Studiums, Besonderheiten in Bezug auf homöopathische Arzneimittel werden aber laut Curriculum in der Bereichsweiterbildung abgehandelt.

  • Verankerung in offiziellen Arzneibüchern

Die Herstellung von Homöopathika ist im offiziellen deutschen homöopathischen Arzneibuch (HAB) beschrieben, große Teile des HAB wurden und werden schrittweise in das Europäische Arzneibuch (Ph. Eur.) überführt. Momentan befinden sich im Ph. Eur. 10.5. insgesamt 43 Monografien mit homöopathischem Kontext.

Arzneibücher sind Grundlagenliteratur für Apotheker und laut Apothekenbetriebsordnung § 5 Pflichtliteratur in der Apotheke.

Allein die Verankerung in offiziell gültigen Arzneibüchern verpflichtet Apotheker über die Thematik Bescheid zu wissen.

Die hier zur Diskussion stehende Weiterbildung spezifiziert das im Studium erworbene Wissen über die Herstellung von Homöopathika und anderen naturheilkundlichen Arzneimitteln.

  • Beratungspflicht in der Apotheke

Homöopathie hat eine lange Tradition gerade in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Staaten. Homöopathika werden von Ärzten und nichtärztlichen Therapeuten verschrieben, aber auch vielfach von Laien genutzt. Es besteht eine hohe Akzeptanz bei Patientinnen und Patienten für diese Therapierichtung (1).

Homöopathika unterliegen der Apothekenpflicht. Über deren Anwendung, Dosierung aber auch Risiken und Grenzen der Therapie muss in der Apotheke, genau wie über alle anderen Arzneimittel, beraten werden. Dies umso mehr, seit die Dosierung registrierter homöopathischer Einzelmittel nicht mehr Teil des Beipackzettels ist!

  • Leitliniengerechte Beratung

Homöopathische Arzneimittel haben Eingang in verschiedenen Leitlinien gefunden.

Beispielhaft seien hier die S3 Leitlinien „Akuter Schwindel in der Hausarztpraxis“ und „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen“ genannt (2,3).

Der Eingang in Leitlinien zeigt darüber hinaus, dass für homöopathische Arzneimittel durchaus Evidenz vorhanden ist!

  • Evidenzgedanke

Evidenz steht auf 3 Säulen. Zur sogenannten internen Evidenz gehören die Erfahrungen des Arztes/Therapeuten sowie die Präferenz der Patienten. Das Reduzieren des Evidenzkonzepts ausschließlich auf externe Evidenz und der Fokus lediglich auf Metaanalysen und RCTs (Spitze der Evidenzpyramide) geht am Evidenzgedanken vorbei und ist schlichtweg falsch!

Zudem existieren placebokontrollierte klinische Prüfungen mit Homöopathika, die beispielsweise auch Einzug in Leitlinien gefunden haben (4,5).

Die fehlende Evidenzlage als Begründung zur Streichung der Homöopathie aus der Zusatzbezeichnung anzuführen ist falsch.

  • Verpflichtung zur Herstellung von Rezepturen

Die Herstellung von Arzneimitteln gehört zu den Kernkompetenzen der ApothekerInnen oder PTAs. Therapeutisch verordnete Individualrezepturen, die auch Homöopathika bzw. die Einarbeitung homöopathischer Mittel in Individualrezepturen betreffen können, müssen in jeder Apotheke hergestellt werden können (Apothekenbetriebsordnung).

  • Pharmakovigilanzpflicht

Homöopathika unterliegen als Arzneimittel -egal ob registriert oder zugelassen- der vollen Pharmakovigilanzpflicht (AMG § 63c). ApothekerInnen und PTAs als HeilberuflerInnen sind zur Meldung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen verpflichtet.

Hieraus ergibt sich auch die Notwendigkeit, typische Reaktionen auf die Gabe eines homöopathisch gewählten Arzneimittels (wie z.B. die Erstverschlimmerung) von klassischen Arzneimittelnebenwirkungen abgrenzen zu können. Das ist Teil des Curriculums der Bereichsweiterbildung.

  •  Was ist eigentlich mit Herausnahme des Begriffes Homöopathie gemeint?

Rein regulatorisch sind auch die im Curriculum genannten Arzneimittel anderer naturheilkundlicher Verfahren (mit 24 h angegeben) Homöopathika und im Ph.Eur., HAB oder anderen Pharmakopöen monografiert: Biochemie nach Schüßler, anthroposophisch erweiterte Medizin, Spagyrik, Homotoxinlehre, Isopathie, Nosoden-Therapie, Bachblütentherapie (in British Homeopathic Pharmacopoeia)

Wie steht es um die phytotherapeutische Anwendung von Urtinkturen, die als Homöopathika registriert sind, sollen die auch aus dem Curriculum entfernt werden?

Gilt der Antrag gleichermaßen für diese Therapierichtungen oder ist lediglich die Homöopathie im Sinne des Ähnlichkeitsprinzips gemeint?

Mit diesem Rundumschlag wäre das Curriculum, welches momentan 100 Stunden umfasst, um etwa 60 Stunden reduziert. Die Frage ist: Was bleibt dann noch übrig?

  • Stellenwert/Umfang der Homöopathie im Pharmaziestudium

Die AntragstellerInnen der LAK Berlin sind der Meinung, dass die oben angeführten Punkte ausreichend im Pharmaziestudium bzw. im praktischen Jahr gelehrt würden. Dem ist nicht so. Im 3. Abschnitt sind in manchen Kammerbereichen lediglich 90 Minuten der Homöopathie und weiteren naturheilkundlichen Verfahren gewidmet.

DZVhÄ Fazit 

Die Bereichsweiterbildung inclusive Homöopathie ist weiterhin nötig, um die komplexe Thematik für interessierte ApothekerInnen anzubieten! Dies muss auch weiterhin unter dem Dach der Apothekerkammern angeboten werden.

Quellen

  1. Forsa. Meinungen zur Homöopathie. Berlin: Forsa-Umfrage F20.0082/38662;28.Feb 2020
  2. S3-Leitline „Schwindel, akut in der Hausarztpraxis“ https://www.awmf.org/leitlinien/detail/II/053-018.html; aufgerufen am 12.09.2022
  3. S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen“   S3-Leitlinie Komplementärmedizin (awmf.org); aufgerufen am 12.09.2022
  4. Frass M, Lechleithner P, Gründling C et al. Homeopathic Treatment as an Add-On Therapy May Improve Quality of Life and Prolong Survival in Patients with Non-Small Cell Lung Cancer: A Prospective, Randomized, Placebo-Controlled, Double-Blind, Three-Arm, Multicenter Study. Oncologist 2020; 25:e1930-e55
  5. HRI: Homeopathic Research Institute. Homeopathy Research Institute | HRI (hri-research.org); aufgerufen am 12.09.2022 / Homeopathy Research Institute | HRI – Die Homöopathie-Debatte (hri-research.org); aufgerufen am 12.09.2022

 

2022-09-19T10:39:21+02:00

Podcast: Präsident Bundesapothekerkammer zur Patientensicherheit

Der Internationale Tag der Patientensicherheit am 17. September ist ein Aktionstag der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Er steht unter dem Motto Medikamente ohne Schaden. Wir haben zu unserem vierten DZVhÄ-Podcast den Präsidenten der Bundesapothekerkammer eingeladen, Herrn Thomas Benkert, und fragen ihn, welche Rolle die Beratung in der Apotheke für die Patientensicherheit spielt. Und wir sprechen mit Dr. Ulf Riker, Internist und Vorstandsmitglied im DZVhÄ, über Patientensicherheit im Miteinander von konventioneller und homöopathischer Medizin.

Dr. Ulf Riker, Internist:

„Es ist unsere Aufgabe als homöopathisch tätige Ärztinnen und Ärzte, die Patient:innen dort abzuholen, wo sie als kranke Menschen stehen. Wir müssen ihre Befunde kennen, aber auch ihr subjektives Befinden, ihre Ängste und ihre Wünsche wahrnehmen, ernstnehmen und darauf eingehen. Das kann bedeuten, dass ich einem Patienten sage: Ja, ich kann Ihnen in der konkreten Krankheitssituation eine homöopathische Begleitung anbieten. Oder ich muss sagen: Nein, ich denke, Sie sollten zunächst auf konventionelle Medizin setzen, damit Komplikationen oder irreversible Gewebe- oder Organschäden vermieden werden.“

Thomas Benkert, Apotheker:

„Wir müssen in der Beratung in der Apotheke zunächst abklären, ob der Kunde mit den Beschwerden, für die er die homöopathische Arznei kauft, bereits in einer ärztlichen Behandlung ist. Wir fragen auch, ob regelmäßig Medikamente genommen werden und wenn ja, welche. Es wäre natürlich ein Eklat, wenn dieser Kunde ein Bluthochdruckmittel absetzen würde, um es durch ein homöopathisches zu ersetzen. Aber: Homöopathische Arzneien haben ihre Berechtigung und sie gehören als Arzneimittel in die Apotheke. Es bedarf der fachlichen Beratung durch Apotheker:innen im Sinne der Patientensicherheit.

Diese DZVhÄ-Podcasts sind bisher erschienen

  • Die Integrative Medizin – Dr. med. Michaela Geiger, 1. Vorsitzende des DZVhÄ im Gespräch mit Robert Schmidt, Chefarzt des Münchner Krankenhauses für Naturheilweisen über die Integrative Medizin in Praxis und Klinik.

  • Über die Vielfalt in der Medizin – Dr. med. Michaela Geiger und Dr. med. Ulf Riker, Vorstände des DZVhÄ, berichten u.a. an Beispielen aus der eigenen Praxis, warum Pluralismus und Therapiefreiheit wichtige Werte in der Medizin sind.

  • Die Anamnese in der Homöopathie – Dr. med. Michaela Geiger und Dr. med. Alexandra Schulze-Rohr, Vorstände des DZVhÄ, sprechen darüber, wie sich in der Homöopathie das diagnostische Gespräch mit der klinischen Diagnostik zu einer Medizin verbindet.
2022-09-14T19:50:19+02:00

„Wichtig ist die Offenheit der Apotheker für Homöopathie“

Interview mit Apotheker Hans Wilhem aus Dachau.

„Und man muss sich ja auch Folgendes überlegen: viele allopathische Arzneimittel sind extrem teuer bei manchmal bescheidener Wirkung. Bei der Homöopathie ist es meistens genau umgekehrt.“

Herr Wilhelm, erzählen Sie uns bitte, wie Sie als Apotheker zur Homöopathie gekommen sind

Ich war schon früh auf der Suche nach ergänzenden Therapieverfahren, die auf natürliche Weise helfen könnten, Krankheiten aus eigener Kraft zu überwinden. Aber erst eine persönliche schwere Lebenskrise, die ich vollständig und nachhaltig mit Hilfe homöopathischer Arzneien überwinden konnte, hat mich neugierig gemacht. Das war der Zeitpunkt, ab dem ich mich intensiv mit Homöopathie beschäftigt habe.

Nach welchen Kriterien beraten Sie in Ihrer Apotheke die Kund*innen, die homöopathische Arzneien kaufen wollen?

Meine Erfahrung ist: Menschen wollen selbst aktiv werden, wenn sie krank sind. Sie übernehmen damit auch Verantwortung für ihre eigene Gesundheit. Damit das erfolgreich gelingt braucht es die Beratungskompetenz auch der Apotheker*innen. In der Apotheke dürfen wir ja nicht selbst therapieren, aber wir können sehr wohl unsere Kund*innen dadurch unterstützen, dass wir mit ihnen eine partnerschaftliche Beziehung aufbauen und z.B. fragen: wie sind Sie denn auf diese Arznei gekommen, die Sie kaufen wollen?  Sobald ein Gespräch stattfindet, ergibt sich auch die Möglichkeit für eine „Mini-Anamnese“: da frage ich z.B. nach der möglichen Ursache ihrer aktuellen Krankheit und nach Modalitäten der Symptome. Oft bestätigt sich die Arzneiwahl der Kund*innen, immer wieder aber kann ich im Gespräch auch eine andere Arznei vorschlagen, die vielleicht besser passt. Da ist im Grunde kein Unterschied, ob sich meine Beratung auf Phytotherapie, Nahrungsergänzungsmittel, allopathische Medikamente oder eben die Homöopathie bezieht.s

Wie schätzen Sie die Kompetenz Ihrer Kund*innen in Bezug auf die homöopathische Selbstbehandlung ein? Und wie können Sie diese Kompetenz im Apotheken-Alltag fördern?

Viele Menschen sind ja heutzutage regelmäßig bei „Google“ unterwegs, suchen nach Erklärungen für ihr Kranksein und auch nach Möglichkeiten, was man denn tun könnte. Dieses Vorgehen ist in Laienhand natürlich oft recht unsicher. Aber es gibt natürlich auch sehr viele Menschen, die sich mit der Homöopathie bereits intensiver auseinandergesetzt haben. Ich will es mal so sagen: wenn ich auf Augenhöhe mit den Kund*innen neugierig bin, also auch persönliches Interesse zeige, dann kann das gemeinsame Hinterfragen auch zu neuen Erkenntnissen hinsichtlich einer homöopathischen Arzneiwahl führen und manchmal auch Horizonte öffnen und weiten.

Wie sind Ihre Erfahrungen im Kontakt mit homöopathisch tätigen Ärzt*innen sowie entsprechend qualifizierten Heilpraktiker*innen?

Wichtig ist die Offenheit der Apotheker*innen für Homöopathie. Damit diene ich auch dem Verhältnis zwischen Patient*innen und ihren ärztlichen oder nichtärztlichen Therapeut*innen. Menschen, die sich für Homöopathie entschieden haben, suchen auch die Kompetenz einer geeigneten Apotheke, und sie suchen die ergänzende Beratung, damit sie sich rundum sicher und aufgehoben fühlen. Selbstverständlich bin ich auch bereit, seltene homöopathische Arzneien zu besorgen, wenn sie von kompetenten Homöopathen verordnet wurden. Dabei lerne auch ich selber immer wieder Neues hinzu

Können Sie den Anteil homöopathischer Arzneien am Gesamtumsatz Ihrer Apotheke orientierend quantifizieren?

Wir müssen in unseren Apotheken ja ein sehr breites Spektrum an Produkten vorhalten: das reicht von der großen Zahl allopathischer Medikamente über Nahrungsergänzungsmittel und Vitamine bis hin zu homöopathischen Arzneien. Innerhalb dieser breiten Palette spielt Homöopathie wirtschaftlich eine absolut untergeordnete Rolle. Die Beratungsintensität ist relativ hoch, wenn ich diesen Bereich ernst nehme, der ökonomische Effekt beim Verkauf homöopathischer Arzneien hingegen gering. Was aber meist übersehen wird: meine Offenheit und meine Beratungskompetenz führen zu einer Bindung der Kund*innen, und das wirkt sich – längerfristig – sehr wohl positiv aus. Man muss diesen Aspekt also im Gesamtzusammenhang sehen. Apotheken, die neben allopathischen Medikamenten ausschließlich Mainstream-Angebote im Sortiment haben sind auf dem Markt austauschbar.

Was sagen Sie den Kritikern, die Ihnen unterstellen, Sie würden nur Zucker zu überhöhten Preisen verkaufen?

Ich verstehe die Beweggründe für derartige Aussagen nicht! Homöopathie ist unter erfahrener Anwendung und Begleitung nicht gefährlich, sondern sicher. Es gibt viele Studien, die eine Wirksamkeit der Homöopathie belegen. Und man muss sich ja auch Folgendes überlegen: viele allopathische Arzneimittel sind extrem teuer bei manchmal bescheidener Wirkung. Bei der Homöopathie ist es meistens genau umgekehrt. Außerdem: die Entscheidung für Homöopathie ist eine private, Patienten haben das Recht, sich so zu entscheiden. Der Hinweis auf den teuren Zucker ist Polemik und dient nur der medialen Aufmerksamkeit.

Vielen Dank, Herr Wilhelm für Ihre klaren Antworten!

Die Fragen stellte Dr. med. Ulf Riker, 2. Vorsitzender des DZVhÄ

Foto: Hans Wilhelm, Apotheker

2021-06-29T12:08:09+02:00
Nach oben