Kommentar von Dr. med. Frank Kirstein, Facharzt für Innere Medizin, Zusatzbezeichnung Homöopathie, DZVhÄ-Landesverband Berlin-Brandenburg, zum SpiegelDaily Podcast von Adrian Breda vom 20.8.2021: Homöopathie – Wenn Arznei krank macht.

In seinem Beitrag versucht der Autor die Möglichkeiten einer homöopathischen Versorgung auszuloten. Im Zentrum des Beitrags steht eine Frau, die offensichtlich von ihren Eltern über viele Jahre vernachlässigt wurde, was durch  schwere emotionale und medizinischen Folgen zum Ausdruck kommt – der Autor stellt hier eine Verbindung mit einer Anwendung von Hausmitteln wie z.B. der Einnahme potenzierter Arzneimittel her. Im Verlauf des Interviews stellt sich die Frage, warum mehrere Institutionen, etwa das Krankenhaus als auch ärztliche ambulante Kollegen, Teil eines pathologischen Familiensystems geworden sind und das Jugendamt nicht hinzugezogen worden ist. Die Eltern haben offensichtlich ihre Gesundheitsfürsorge für das Kind grob vernachlässigt. Aus ärztlicher Sicht erscheint es nicht relevant, ob es sich um eine Unter- und Fehlversorgung des Kindes oder eigenmächtiges Handeln aus dem Bereich der Laienmedizin mit pflanzlichen Arzneien, frei verkäuflichen potenzierten Arzneimitteln oder anderen Zuwendungen handelt. Eine Selbstmedikation macht immer nur dann Sinn, wenn in kürzester Zeit eine Verbesserung der Symptome zu beobachten ist, ansonsten muss ein Arzt aufgesucht werden, das ist durch die Mutter sträflich vernachlässigt worden.

Aus meiner Sicht wird hier das Leiden einer Frau instrumentalisiert, um Inhalte zu transportieren, die daraus nicht abgeleitet werden können und einer sachlichen und fachlichen Auseinandersetzung mit ärztlicher Homöopathie nicht zuträglich sind.

Ich Verweise auf das Leitbild ärztlicher Homöopathie, dass der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) verabschiedet hat um die Einordnung ärztlicher homöopathische Versorgung in den Gesamtkontext ärztlichen Handelns zu stellen.

Bei jeder ärztlichen Tätigkeit muss eine Einschätzung vorgenommen werden, wie ein Therapieerfolg erzielt wird. Hier gilt es gleichermaßen abzuwägen, ob etwa eine internistische oder chirurgische Maßnahme nötig ist, wie z.B. bei einem entzündlichen Blinddarm, einer Divertikulitis oder anderen entzündlichen Prozessen. In jedem ärztlichen Entscheidungsprozess muss abgewogen werden, ob etwa eine chirurgische Intervention oder eine antibiotische Therapie zielführend und ausreichend sicher ist. Diese Abwägung hat bei der Versorgung der jungen Frau nicht stattgefunden. Selbstverständlich eignet sich auch die Arzneimitteltherapie mit Homöopathika zur Versorgung der Patienten in Abwägung mit allen anderen ärztlichen Maßnahmen. Dazu bedarf es einer professionellen Ausbildung des Therapeuten und gewissenhaften Entscheidung der ärztlichen Intervention. Das hat im vorliegenden Fall mit Sicherheit nicht stattgefunden.

Dr. med. Frank-Werner Kirstein, Berlin