Interview mit Dr. med. Michaela Geiger, 1. DZVhÄ Vorsitzende, rund um Verbände, Netzwerke und Integrative Medizin.

Zu den Begriffen: Aus Alternativmedizin wurde Komplementärmedizin, nun heißt es Integrative Medizin – ist diese Herleitung richtig?

Ehrlich gesagt, wir haben uns noch nie als Alternative zur konventionellen Medizin gesehen. Die Homöopathie ist eine Therapiemethode, die zur Komplementärmedizin gerechnet wird.  So, wie andere Therapiemethoden auch, etwa die Phytotherapie, Anthroposophische Medizin oder die TCM, die zusammen die Integrative Medizin bilden und ergänzend zu unserer konventionellen Arbeit eingesetzt werden.

Ist es Ihr Ziel, eines Tages nur noch von Medizin zu sprechen, da Pluralismus selbstverständlich ist?

Ja, das ist es. In der Medizin sollten alle Therapiemethoden selbstverständlich enthalten sein, sei es konventionell, wie auch komplementär, und man müsste nicht mehr von integrativ sprechen Erstrebenswert ist die Medizin, in der  Pluralismus und Therapiefreiheit selbstverständlich sind.

Der DZVhÄ-Kongress vom 13.-15. Mai  steht unter dem Begriff der Integrativen Medizin, warum?

Wir müssen beginnen, das Thema der Integrativen Medizin breiter zu diskutieren. Es ist wichtig die  synergistische Weise der komplementären und konventionellen Medizin in unseren Fortbildungen auszubauen. In unseren Praxen machen wir ja täglich nichts anderes. Der Dermatologe, die Gynäkologin die auch die Homöopathie in ihrer Praxis integriert haben, die berichten etwa auf dem Kongress von ihrer Arbeitsweise. Die Zukunft der Medizin ist pluralistisch und die Fortbildungen mögen zu einem weiteren Medizinwandel beitragen. Ein Kongress eignet sich hierfür hervorragend.

Ist das Vernetzen der Methoden unter einem Oberbegriff auch ein Abtauchen?

Die Medizin ist eine Handlungs- und Erfahrungswissenschaft, in der alle Methoden ihre gleiche, wertvolle Relevanz haben. Somit sollte ein respektvolles Miteinander aller Methoden vorausgesetzt werden. Jede einzelne Disziplin achtet auf seine Expertise und Weiterentwicklung und pflegt eine ausgewogene Synergie aller Methoden. Die Vernetzung ist seit langem eine wertvolle Basis, wir arbeiten seit 1975 in der Hufelandgesellschaft als Dachverband zusammen. Alle großen ärztlichen Verbände der Komplementärmedizin gehören dazu. Ich bin für den DZVhÄ im Vorstand der Hufelandgesellschaft und so haben wir intensive Gestaltungsmöglichkeiten und entwickeln dieses Netzwerk weiter. Von Abtauchen kann keine Rede sein, aber gemeinsam sind wir wahrnehmbarer und können unsere Interessen in der Gesundheitspolitik besser durchsetzen.

Ist dies eine internationale Entwicklung?

Auf jeden Fall. Am Beispiel der Schweiz sehen wir, wie entscheidend ein profundes miteinander in der Medizin ist, in den USA nehmen heute mehr als 40 Prozent der Bevölkerung integrativ-medizinische Angebote in Anspruch. An vielen Krankenhäusern gibt es ein Zentrum für Integrative Medizin und die Forschung obliegt dem National Insitutes of Health (INH). Das ist praktiziertes Miteinander. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fördert mit ihrem One Health Ansatz die integrativen medizinischen Therapieformen. Das ist ein Konzept einer nachhaltigen Gesundheitspolitik. Hier wird ganzheitlich über die engen Grenzen der Disziplinen geschaut. Tier, Landwirtschaft, Mensch – es liegt auf der Hand, das diese Bereiche zusammengehören. Dieses One Health Konzept müssen wir auch bei uns etablieren – so sieht moderne Medizin aus.

Wie wird diese Entwicklung bei den anderen medizinischen Fachgesellschaften wahrgenommen?

Wir spüren mehr denn je ein konstruktives Miteinander in den komplementären ärztlichen Fachgesellschaften. Vielleicht liegt es an der stürmischen Zeit, in der uns der Gegenwind ins Gesicht bläst. Empirie und konstruktives Miteinander sind mehr denn je von Nöten ist. Denn nur zusammen sind wir stark.