Berlin, 27. Januar 2025. Springers Vermächtnis – ein Interview mit dem Berliner Dematologen Dr. Karl Grunow, der über zehn Jahre regelmäßig an Supervisions-Seminaren von Dr. Springer teilgenommen hat. „Für mich hat er den Goldstandard der homöopathischen Arbeit gesetzt“, sagt Dr. Grunow im Interview, das von Dr. med. Ulf Riker, 2. Vorsitzender des DZVhÄ, geführt wurde.
Lieber Karl Grunow, Sie haben jüngst in München ein Seminar „Homöopathie in der Dermatologie“ gehalten, das unter den anwesenden Kolleginnen und Kollegen eine hervorragende Resonanz erfahren hat. Ähnliche Seminare von Ihnen gabs auch schon andernorts. „Funktioniert“ Homöopathie in Ihrem Fachbereich der Dermatologie besonders gut, weil man die Krankheit immer vor Augen hat, oder ist es im Gegenteil besonders schwierig, weil die Haut entsprechend der Hering`schen Regel ja auch die „Endstation“ eines „von innen nach außen“ darstellt?
Dr. Grunow: Anton Rohrer schaute mich im letzten Jahr mitleidig an, als ich ihm erzählte, dass ich vorwiegend chronisch Hautkranke behandele; ganz so tragisch ist es nun nicht. Eine richtige homöopathische Verschreibung ist bei chronischen Hautkrankheiten besonders gut sichtbar. Für Arzt und Patient ist allein das praktische Ergebnis entscheidend. Bei den Seminaren zeige ich aus didaktischen Gründen nur die erfolgreichen Behandlungen. Die Findung eines Arzneimittels, das dem Krankheitsverlauf eine entscheidende Wendung gibt, gelingt natürlich nicht immer, das unterscheidet sich somit nicht von der homöopathischen Behandlung anderer Krankheiten.
Ihre Fall-Schilderungen samt fotografischer Befunddokumentationen und Repertorisationen sind sehr präzise und nachvollziehbar, und Sie haben berichtet, dass unser hochverehrter, zu Beginn des neuen Jahres aber leider verstorbener Kollege Dr. Wolfgang Springer, Sie in Ihrem Arbeitsstil maßgeblich beeinflusst hat. Können Sie uns von dieser „homöopathischen Sozialisation“ berichten?
Dr. Grunow: Herr Springer hat halbjährlich ein Supervisionsseminar in München gehalten. Er machte im Hörsaal Liveanamnesen, gefolgt von einer Falldiskussion und Verschreibung, nach einem halben Jahr erschienen die Patienten zur Nachuntersuchung. Praxisnäher geht es nicht. Für mich hat er damit den Goldstandard der homöopathischen Arbeit gesetzt. Ich bin über zehn Jahre regelmäßig zu diesen Seminaren gefahren, mit Freude und Begeisterung! Die intensive Arbeitsatmosphäre war einzigartig. Besonders berührt hat mich die tiefe Menschlichkeit, mit der Herr Springer den PatientInnen begegnet ist, die manchmal hinter einem subtilen Humor versteckt war.
Wir haben in Ihren Fallschilderungen erleben können, was dieses „machts nach, aber machts genau nach“ konkret bedeutet. Würden Sie für uns bitte zusammenfassen, was zu diesem „machts genau nach“ dazugehört bzw. was Sie diesbezüglich von Wolfgang Springer gelernt haben?
Dr. Grunow: Die Anamnesetechnik war für mich sehr lehrreich, er hat durch seine akribischen Nachfragen die Besonderheit des Symptoms im vorliegenden Falle herausgearbeitet. Das hatte durchaus etwas Künstlerisches, ähnlich wie ein Bildhauer aus einem Stück Stein eine Skulptur formt. Er blätterte dann im Beisein des Patienten im Repertorium, durch seine Erfahrung wusste er, welche Rubriken Trittsicherheit bieten. Und natürlich war es spannend, womit er die Fallanalysen begonnen hat: stets unter der Prämisse, nicht zu theoretisieren, sondern sich auf die Materia Medica zu beziehen. Bleibend in Erinnerung ist mir sein Seufzen, wenn er unsere Arzneimittelvorschläge gehört hat: „Da haben wir wieder ein Kessel Buntes“!
Das Vermächtnis von Wolfgang Springer ist ein großes. Was schlagen Sie vor, wie wir diesen Schatz am besten hüten, aber mehr noch für unsere jüngeren KollegInnen und die Zukunft der ärztlichen Homöopathie nutzbar machen?
Dr. Grunow: Der Prüfstein einer Methode ist die Praxis, nicht die Theorie. Und genau dies war die Stärke von Springers Seminaren, er hat sich getraut, ganz konkret seine Herangehensweise im vorliegenden Fall zu demonstrieren und sich am Verlauf messen zu lassen. Und das bei von erfahrenen HomöopathInnen erfolglos vorbehandelten PatientInnen ! Daher hoffe ich, dass Videoaufnahmen von den Springerseminaren für interessierte KollegInnen zugänglich gemacht werden. Zudem ist sein zusammen mit Heinz Wittwer herausgegebenes Buch „Kombinierte Arzneimittel in der Homöopathie“ äußerst lesenswert.
Springer hat immer davon gesprochen, dass auf dem Weg des Lernens der Homöopathie „erst das Handwerk, dann das Kunsthandwerk und am Ende die Kunst“ stehen, „und zwar in genau dieser Reihenfolge und nicht umgekehrt“. Brauchen wir womöglich eine verbandsinterne Diskussion darüber, wie wir diesem Anspruch auch in Zukunft gerecht werden können? Und was wären Ihrer Meinung nach die zentralen Kriterien, die wir berücksichtigen müssen?
Dr. Grunow: Wenn wir uns weiter daranhalten, gut geprüfte Arzneimittel nach deutlich einzusehenden Gründen einzusetzen, so befinden wir uns auf einer sicheren Grundlage. Die weltweite Verbreitung zeigt die Praxistauglichkeit der Homöopathie. Neue Entwicklungen sind z.B. die Computerversion des Symptomenlexikons und „Phenomena- das Repertorium der Phänomene in der Praxis“ von Dr. Rainer Schäferkordt, die uns die Arbeit mit den Quellen vereinfachen. Denn nicht immer war bisher der Eintrag eines Arzneimittels in eine Rubrik im Repertorium nachvollziehbar.
Lieber Karl Grunow, wir danken Ihnen sehr herzlich für Ihre Zeit!
Zum DZVhÄ-Nachruf zu Dr. Springer
Homöopathie in der Dermatologie, Interview mit Dr. Grunow