Berlin, 20. Januar 2025. Die GRÜNEN werden sich auf ihrer Bundesdelegiertenkonferenz (BDK) am 26. Januar auch mit Anträgen zur Homöopathie beschäftigen müssen. Einer der Anträge fordert das Ende der Homöopathie in der gesetzlichen Krankenversicherung, die Begründung hält eine wissenschaftliche Betrachtung nicht Stand und ist medizinisch unsinnig.

Auf Initiative eines Pharmaziestudenten aus Berlin stellen 119 weitere GRÜNE für ihre Bundesdelegiertenkonferenz Ende Januar folgenden Antrag:

Wir setzen uns dafür ein, dass Leistungen nur dann von der Solidargemeinschaft übernommen werden, wenn sie medizinisch sinnvoll und gerechtfertigt sind und ihre Wirksamkeit wissenschaftlich erwiesen ist. Folglich lehnen wir die solidarische Finanzierung von homöopathischen Zubereitungen und anderen Präparaten ab, bei denen weder eine wissenschaftlich fundierte Wirksamkeit nachgewiesen noch eine quantitative und qualitative Analyse eines Wirkstoffs möglich ist.

Dieser Grüne Antrag ist aus mehreren Gründen kompletter Unfug
  • Ob ärztliche Leistungen „medizinisch sinnvoll und gerechtfertigt“ sind entscheiden weder Pharmaziestudenten noch die Politik, sondern ausschließlich Ärztinnen und Ärzte mit Praxiserfahrung und dem gewachsenen Vertrauen ihrer Patientinnen und Patienten, und zwar immer im konkreten Einzelfall sowie aufgrund entsprechender Befundlage, Prognose einer Krankheit und potenziell drohender Komplikationen.
  • Ob die „Wirksamkeit (einer Therapiemethode) wissenschaftlich erwiesen“ ist kann nur aufgrund einer vollständigen, aber nicht einer willkürlichen Auswahl relevanter Forschungsarbeiten beantwortet werden. Die in der Begründung zum Antrag genannten Veröffentlichungen des NHMRC (2015, sogenannte „Australien-Studie“) sowie der EASAC (2017) lassen nicht nur die erforderliche Aktualität vermissen, sondern sind – und waren von Anfang an – umstritten: einerseits wegen der zugrunde gelegten, unüblichen Studienkriterien (NHMRC – Folge: es blieben überhaupt nur noch 5 Studien übrig, keine davon zum Thema individualisierter Homöopathie) oder wegen eindeutiger Zielvorgaben (EASAC – das zu erzielende Ergebnis war bereits im Arbeitsauftrag vorgegeben).
  • Der Antrag ignoriert ohne jede Begründung die Existenz eines aktuellen (2023, Hamre et al.) systematischen Review über 6 placebokontrollierte Homöopathie- Metaanalysen und sein Ergebnis: Homöopathie wirkt besser als Placebo! Auf höchstem wissenschaftlichem Niveau angelegt zeigt diese Studie darüber hinaus, dass sowohl die methodische Qualität der eingeschlossenen Homöopathiestudien ähnlich war wie bei anderen klinischen Studien, und dass die Qualität der Gesamtevidenz für positive Homöopathie-Wirksamkeit ebenfalls ähnlich war wie in systematischen Reviews zu anderen medizinischen Interventionen.
  • Der Antrag unterstellt, Homöopathie sei nicht evidenzbasiert. Das Gegenteil ist der Fall: entsprechend der Definition der EbM nach Sackett erfüllt auch die Homöopathie alle drei Kriterien für evidenzbasierte Medizin: beste verfügbare externe Evidenz aus Studien (siehe oben, zusätzlich zahlreiche Ergebnisse aus der Grundlagen sowie der Versorgungsforschung), interne Evidenz im Sinne individueller klinischer Expertise der homöopathisch zusatzqualifizierten Ärztinnen und Ärzte, und nicht zuletzt die Berücksichtigung der Werte und Wünsche von Patienten (dokumentiert in entsprechenden Umfragen).
Der Grüne Antrag unterschlägt Fakten

Der Hinweis auf jährlich 20 Millionen Euro für Kostenerstattung von homöopathischen Mitteln unterschlägt zweierlei: der genannte Betrag liegt im Promillebereich (!) der Gesamtausgaben für Arzneimittel. Außerdem müssten für Krankheitssituationen, in denen homöopathische Arzneien verordnet wurden alternativ konventionelle Medikamente eingesetzt werden, die in der Regel teurer sind als ihre homöopathischen ‚Konkurrenten‘.

Es ist ohne Zweifel richtig, dass z.B. im Klimaschutz oder bei anderen Kernthemen der GRÜNEN „auf Erkenntnisse der Wissenschaft“ gesetzt wird bzw. „wissenschaftliche Standards“ Berücksichtigung finden. Dasselbe müsste freilich auch für die Auseinandersetzung mit Homöopathie gelten! Genau an diesem Punkt aber bleibt der Antrag gegen Homöopathie weit hinter seinem eigenen Anspruch zurück! Aus diesem Grund ist der Antrag in mehrfacher Hinsicht nicht konsequent zu Ende gedacht und legt den Verdacht nahe, dass beim Verfasser und seinen UnterstützerInnen eher weltanschauliche anstelle wissenschaftlicher Überlegungen eine Rolle gespielt haben. Ein solches Prozedere ist aber argumentativ nicht redlich, vor Allem dann nicht, wenn es um die Selbstbestimmung von Menschen im Falle von Krankheit geht. Freiheitsrechte (der Patientinnen und Patienten) und freie Wahl von Therapieoptionen (auf dem Boden von partizipativer Entscheidungsfindung) sind auch im Bereich des Gesundheitswesens unseres Landes und ohne materielle Nachteile für jeden Einzelnen zu berücksichtigen!

Glaubwürdig im Sinne einer „vorausschauenden Gesundheitspolitik“, wie sie die GRÜNEN anstreben bleibt die Partei nur dann, wenn sie sich nachvollziehbar an ihren eigenen Ansprüchen messen lässt. Das ist beim vorliegenden Antrag nicht gegeben, deshalb sollten sich die Delegierten sehr ernsthaft mit den Fakten rund um die Homöopathie beschäftigen, bevor sie diesem wenig qualifizierten Antrag ihre Stimme geben!

Zum weiter Informieren
  • Auf der Seite www.faktencheck-homöopathie.de finden sich viele wissenschaftliche Studienergebnisse, und zwar in einer auch für Nicht-Mediziner gut verständlicher Darstellung.
  • Kennen Sie schon den neuen DZVhÄ-Podcast zur Homöopathie-Forschung? Hörenswert! Direkt mal reinhören.