Dr. med. Ulf Riker, 2. Vorsitzender des DZVhÄ, zum internationalen UNESCO-Tag der Toleranz:

In einer offenen Gesellschaft sind Toleranz und gegenseitiger Respekt wichtig. Es gibt in unserer Zeit genügend Tendenzen der Spaltung, die Politik sollte nicht zulassen, dass gerade im Falle von Krankheit und Leiden Menschen und Methoden wie die Homöopathie ausgegrenzt werden.

  • Gegner der Homöopathie geben vor, Patientinnen und Patienten vor den Globuli schützen zu wollen. Sie klären nicht nur darüber auf, wie sie selbst die Sache sehen, sondern verlangen umgehend, dass auch die Medien und die Politik sich ihrer Sicht anschließen. Sie ersetzen den sachlichen Austausch durch Polemik und Manipulation.
  • Wäre Homöopathie umweltschädlich oder gesundheitsgefährdend, dann könnte man sich ihrer Warnung anschließen. Aber beides ist nicht der Fall: weder ist Homöopathie gefährlicher als „Schulmedizin“, noch sind Homöopathie-Nutzer fortschrittsfeindlich. Und sollten homöopathische Globuli im Müll oder Abfluss landen, dann resultiert auch keine Gefahr für die Umwelt.
  • Homöopathie-Anwender sind in den Augen ihrer Gegner bestenfalls „gläubig“, in keinem Fall aber ernst zu nehmen, weil sie den Boden der Wissenschaft zu verlassen und einem ausschließlich materialistisch orientierten Weltbild den Rücken zu kehren scheinen. Aber auch das stimmt nicht: es handelt sich lediglich um die freie Wahl einer Therapie, ihr gutes Recht.
  • Die freie Wahl der Therapie ist flankiert von zahlreichen Möglichkeiten der Information, als deren beste das offene Gespräch zwischen Patient und Therapeut gelten kann. Hier trifft die Selbstbestimmtheit des Individuums auf Ausbildung, Erfahrung und Verantwortung des begleitenden Arztes oder fachlich qualifizierten Therapeuten. Optimalere Voraussetzungen für Compliance und Therapiesicherheit gibt es nicht!
  • Den aktuellen Kampf gegen Homöopathie führen selbsternannte Experten aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen, viele ohne medizinische Ausbildung und die allermeisten ohne homöopathische Zusatz-Qualifikation. Es ist, als würden Farbenblinde über Farbe sprechen. Respekt vor Individuen und ihrer persönlichen Erfahrung: Fehlanzeige! Respekt vor der akademischen Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten mit anerkannter Zusatzbezeichnung: Fehlanzeige!
  • Ohne Homöopathie werden die Wünsche der Patienten nach einer sanften und ganzheitlichen Therapieform bleiben, sie werden Alternativen suchen und finden. Sollten sich diese Alternativen dann als weniger sicher herausstellen, dann tragen die Kritiker der Homöopathie und eines Pluralismus in der Medizin die Hauptverantwortung dafür. Auch diesen Aspekt sollten Medien und Politiker ernsthaft hinterfragen, bevor sie sich allzu geschmeidig der Kampagne von Skeptikern anschließen.
  • Die Kampagne gegen Homöopathie trägt auch destruktive Züge: sie negiert gebetsmühlenartig Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung und hat zum Ziel, aufgeklärten Patientinnen und Patienten eine erfolgversprechende Behandlungsoption vorzuenthalten, ohne im Gegenzug geeigneten Ersatz anzubieten. Homöopathie hat ebenso ihre Grenzen wie auch die „Schulmedizin“, letztere ist aber für kranke Menschen kein Ersatz, wenn sie bereits die Grenzen „Standart-Therapie“ am eigenen Leib erlebt und erfahren haben.
  • Homöopathie-bashing ist ziemlich risikolos: man kann sich hinter hehren Motiven wie Patientenschutz, Aufklärung oder Wissenschaftlichkeit verstecken und ist für die Folgen nicht verantwortlich. Zum Beispiel, wenn Patientinnen und Patienten bei Quacksalbern ohne Ausbildung oder selbsternannten Heilern landen und dann tatsächlich ohne adäquate Behandlung in Gefahr geraten.

Kann man allen Ernstes Bürgerinnen und Bürger eines Landes absprechen, bei Therapieentscheidungen mit zu bestimmen, in dem man ihnen entsprechende Wahlmöglichkeiten nimmt? Zur Klarstellung: Die freie Therapiewahl ist ein Recht in einer offenen Gesellschaft. Im Gegensatz dazu trägt die Anti-Homöopathie-Kampagne fundamentalistische Züge: Sie ist an den quasi-ideologischen Grundsätzen eines materialistischen Weltbildes orientiert und lässt keinen Platz für Toleranz und Austausch. Insofern ist die Kampagne auch antidemokratisch.

Autor: Dr. med. Ulf Riker ist Internist mit den Zusatzbezeichnungen Homöopathie und Naturheilverfahren, niedergelassen in München