Homöopathie und Wissenschaft – vier zentrale Fragen

Berlin, 5. März 2024. Die Debatte um Homöopathie hat seit der Ankündigung durch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, die Homöopathie als Satzungsleistung aus der GKV zu streichen, an Fahrt gewonnen. Maßgeblich ist das Thema Homöopathie und Wissenschaft.

H. J. Hamre und H. Kiene sind hierzu Experten. Sie haben 2023 ein vielbeachtetes Homöopathie-Review in der renommierten Zeitschrift Systematic Reviews publiziert, ebenso einen beachtenswerten Artikel zu den Wirkungsgrundlagen der Homöopathie. Sie sind tätig am Institut für angewandte Erkenntnistheorie und medizinische Methodologie.

Kiene und Hamre haben zum Thema Homöopathie und Wissenschaft den folgenden Text erstellt und dem DZVhÄ erlaubt, ihn hier zu dokumentieren. Der Text gibt Antworten auf vier wichtige Fragen:

  1. Was sagen Laborexperimente zu hochpotenzierten Substanzen?
  2. Ist Homöopathie wirksam – jenseits von Placebo?
  3. Wie kann Homöopathie überhaupt wirksam sein?
  4. Warum wird Homöopathie oft negativ beurteilt?

1. Was sagen Laborexperimente zu hochpotenzierten Substanzen?

Für homöopathisch potenzierte Präparate wurden signifikante Effekte experimentell nachgewiesen und teils repliziert. Solche Effekte wurden in verschiedenen Testsystemen (physikalisch-chemisch [1], in vitro [2], Pflanzen-basiert [3, 4], Tier-basiert [5-7]) beobachtet, was gegen Artefakte und für reale Wirkungen spricht.

2. Ist Homöopathie jenseits von Placebo wirksam?

  • Über 180 randomisierte Placebo-kontrollierte Homöopathiestudien zu verschiedensten Indikationen wurden in insgesamt 6 indikationsübergreifenden Meta-Analysen ausgewertet. Im Oktober 2023 wurde ein systematisches Review zu diesen 6 Metaanalysen in der renommierten Zeitschrift Systematic Reviews publiziert [8]. Bei der offenen Begutachtung wurde kommentiert: “The author’s research is rigorous and has strong data analysis skills” und „This is an extremely detailed and well written systematic review of metaanalyses of trials in homeopathy“ [9]. Im Gesamtergebnis war Homöopathie wirksamer als Placebo [8]:
  • 5 der 6 Meta-Analysen enthielten eine Effektschätzung für alle eingeschlossenen Studien. Alle 5 zeigten signifikant positive Effekte der Homöopathie, im Vergleich zu Placebo.
  • 4 Meta-Analysen enthielten eine Effektschätzung nach Beschränkung auf Studien mit höherer methodischer Qualität. In 3 dieser 4 Analysen blieben die signifikanten positiven Effekte der Homöopathie erhalten, in 1 Meta-Analyse blieb der Effekt positiv, aber nicht signifikant.
  • Die methodische Qualität der Homöopathiestudien war ähnlich oder höher wie bei anderen klinischen Studien mit gleichem Design, aus vergleichbarem Zeitraum und bewertet nach gleichen Kriterien.
  • Die Qualität der Gesamtevidenz für positive Homöopathie-Wirksamkeit in diesem systematischen Review war ähnlich oder höher wie in systematischen Reviews zu anderen Interventionen aus einem vergleichbaren Zeitraum und eingestuft anhand desselben Bewertungsinstruents (GRADE).
  • Für eine generelle Unwirksamkeit, d.h. keinen Unterschied zwischen Homöopathie und Placebo, gab es keine Anhaltspunkte.

Bisherige Kritiken an dieser Evaluation waren verzerrend und ohne wissenschaftliche Substanz [10, 11].

3. Wie kann Homöopathie überhaupt wirksam sein?

Es wird oft argumentiert, homöopathische Hochpotenzen könnten keine Wirkungen haben, weil sie keine Wirkstoffmoleküle enthalten. Dieses Argument beruht auf einem Modell der Natur aus dem 19. Jahrhundert, wonach die gesamte Lebenswelt letztlich aufgrund der Wechselwirkungen von Atomen und Molekülen erklärt werden müsse. Homöopathika werden aber zur Behandlung von Organismen eingesetzt, und gerade die Gestaltbildung und -erhaltung komplexer funktionsfähiger Organismen kann nicht auf der Grundlage jenes Modells erklärt werden [12]. In Organismen sind demnach außer den physikalischen Grundkräften zusätzlich noch spezifische Kräfte der Gestaltbildung wirksam. Damit sie wirksam sein können, muss die Materie des Organismus mit ihnen eine Beziehung eingehen. Hierzu sind die elektromagnetischen Wechselwirkungen der Atome und Moleküle nicht imstande. Folglich kann Materie zusätzlich zu ihrer atomar-molekularen Binnenstruktur noch spezifische andere Eigenschaften haben. Die genannten Kräfte und diese Materieeigenschaften dürften der primäre Wirkungsort homöopathisch potenzierter Arzneimittel sein, evtl. mit sonstigen Sekundärwirkungen [12].

4. Warum wird Homöopathie oft negativ beurteilt?

Der hauptsächliche Grund ist der Glaube, dass Homöopathie prinzipiell nicht wirksam sein könne. Hieraus ergibt sich:

  • Ein Zirkelschluss: Wir „wissen“, dass Homöopathie unwirksam sei; also betrachten wir Studiendaten unter einer Perspektive, in der durch Ausblenden oder Wegerklären positiver Ergebnisse eine Unwirksamkeit erscheint; also können wir „nachweisen“, dass Homöopathie unwirksam ist, was wir schon „wussten“ ([8], S. 21).
  • Zweierlei Maß: Erstens werden bei Bewertungen von Homöopathie-Studien oft höhere methodische Anforderungen angelegt als bei sonstigen klinischen Studien [13]. Zweitens werden bei Aussagen zu vermeintlichen Evidenzmängeln der Homöopathie oft sehr niedrige methodische Anforderungen gestellt [10, 11].

Viele der weitbekannten negativen Homöopathie-Beurteilungen folgen diesen Mustern [14-18].

Referenzen

1. Tournier A, Würtenberger S, Klein SD, Baumgartner S. Physicochemical investigations of homeopathic preparations: a systematic review and bibliometric analysis, Part 3. J Altern Complement Med. 2021;27(1):45-57. https://doi.org/10.1089/acm.2020.0243
2. Witt CM, Bluth M, Albrecht H, Weisshuhn TE, Baumgartner S, Willich SN. The in vitro evidence for an effect of high homeopathic potencies – a systematic review of the literature. Complement Ther Med. 2007;15(2):128-38. https://doi.org/10.1016/j.ctim.2007.01.011
3. Ücker A, Baumgartner S, Sokol A, Huber R, Doesburg P, Jager T. Systematic review of plant-based homeopathic basic research: an update. Homeopathy. 2018;107(2):115-29. https://doi.org/10.1055/S-0038-1639580
4. Ücker A, Baumgartner S, Martin D, Jäger T. Critical evaluation of specific efficacy of preparations produced according to European Pharmacopeia Monograph 2371. Biomedicines. 2022;10(3). https://doi.org/10.3390/biomedicines10030552
5. Bellavite P, Conforti A, Marzotto M, Magnani P, Cristofoletti M, Olioso D, Zanolin ME. Testing homeopathy in mouse emotional response models: pooled data analysis of two series of studies. Evid Based Complement Alternat Med. 2012;2012:954374. https://doi.org/10.1155/2012/954374
6. Bonamin LV, Cardoso TN, de Carvalho AC, Amaral JG. The use of animal models in homeopathic research – a review of 2010-2014 PubMed indexed papers. Homeopathy. 2015;104(4):283-91. https://doi.org/10.1016/j.homp.2015.06.002
7. Endler PC, Scherer-Pongratz W, Harrer B, Lingg G, Lothaller H. Amphibians and ultra high diluted thyroxine – further experiments and re-analysis of data. Homeopathy. 2015;104(4):250-6. https://doi.org/10.1016/j.homp.2015.10.001
8. Hamre HJ, Glockmann A, von Ammon K, Riley DS, Kiene H. Efficacy of homeopathic treatment: Systematic review of meta-analyses of randomised placebo-controlled homeopathy trials for any indication. Syst Rev. 2023;12:191. https://doi.org/10.1186/s13643-023-02313-2
9. Peer-review reports on original submission: Hamre HJ et al. Efficacy of homeopathic treatment: Systematic review of meta-analyses of randomised placebo-controlled homeopathy trials for any indication. Syst Rev [Internet]. 2023. Available from: https://systematicreviewsjournal.biomedcentral.com/articles/10.1186/s13643-023-02313-2/peer-review
10. Hamre HJ, von Ammon K, Glockmann A, Kiene H. Comment on blog by Edzard Ernst on systematic review. IFAEMM Projekte Homöopathie [Internet]. 2023 13.02.2024. Available from: https://www.ifaemm.de/wp-content/uploads/go-x/u/4bd9ac08-a581-4e82-b1a4-a0b3b7a257e3/Hamre-HJ-von-Ammon-K-Glockmann-A-Kiene-H.-Comment-on-blog-by-Edzard-Ernst-on-systematic-review.-13.11.2023.pdf
11. Hamre HJ, von Ammon K, Glockmann A, Kiene H. Unzuverlässiges Informationsnetzwerk. IFAEMM Projekte Homöopathie [Internet]. 2024. Available from: https://www.ifaemm.de/wp-content/uploads/go-x/u/71c7cdb3-60ad-4414-8526-dd8265821b0e/ Hamre_et_al_2024-02-21_Richtigstellung_gegenueber_INH.pdf
12. Kiene H, Hamre HJ. Eine zentrale Frage zur Komplementärmedizin: Gibt es in der Natur außer den physikalischen Grundkräften noch weitere Kräfte? Complement Med Res. 2023. https://doi.org/10.1159/000534899
13. The Australian Report: Data extracted from NHMRC’s Table 1 (Information Paper, p.18-20), with analysis of combined impact of ‘reliability’ thresholds for trial sample size and quality. London: Homeopathy Research Institute; 2015. Available from: https://www.hri-research.org/resources/homeopathy-the-debate/the-australian-report-on-homeopathy/
14. Ernst E. A systematic review of systematic reviews of homeopathy. Br J Clin Pharmacol. 2002;54(6):577-82. https://doi.org/10.1046/j.1365-2125.2002.01699.x
15. Shang A, Huwiler-Muntener K, Nartey L, Juni P, Dorig S, Sterne JA, et al. Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homoeopathy and allopathy. Lancet. 2005;366(9487):726-32. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(05)67177-2
16. Science and Technology Committee. Evidence Check 2: Homeopathy. Fourth Report of Session 2009-10. London: House of Commons; 2010 22.02.2010. Contract No.: HC 45.
17. ter Meulen V, Bach J-F, Denk H, Ertl G, Griffin G, Gundersen K, et al. Homeopathic products and practices: assessing the evidence and ensuring consistency in regulating medical claims in the EU. Halle (Saale): European Academies’ Science Advisory Council; 2017.
18. Sigurdson MK, Sainani KL, Ioannidis JPA. Homeopathy can offer empirical insights on treatment effects in a null field. J Clin Epidemiol. 2023;155:64-72. https://doi.org/10.1016/j.jclinepi.2023.01.010.

Zum Originalbeitrag.

2024-03-21T15:56:44+01:00

Debatte: Homöopathie als freiwillige Kassenleistung

Berlin, 22. Januar 2024. Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat durch einen Tweet am Abend des 10. Januars eine Debatte um die Homöopathie ausgelöst. Er möchte Homöopathie als freiwillige Kassenleistung streichen, ein entsprechendes Gesetz soll noch bis zur Sommerpause 2024 verabschiedet werden. Er greift damit in ein funktionierendes System von Patient:innen, Ärzt:innen, Apotheker:innen und Krankenkassen ein.

Die Debatte um Homöopathie als freiwillige Kassenleistung geht in die zweite Woche. Die Sicht homöopathisch tätiger Ärztinnen und Ärzte nimmt in der Diskussion eine große Stellung ein. Interviews mit großen Medien, wie ARD und ZDF aber auch Agenturen (DPA) wurden und werden vom Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) gegeben.

Beispiele zur Homöopathie-Debatte

  • Tagesschau24, 11. Januar: „Im Sinne unserer Patienten fordern wir, dass Homöopathie erhalten bleibt als Kassenleistung“, fordert Michaela Geiger, Vorsitzende vom Zentralverein homöopathischer Ärzte bei tagesschau24. Es sei wichtig, ein breites Feld der Therapien zur Verfügung zu haben in der Grundversorgung, um allen Patienten gerecht zu werden.
  • ZDF heute journal,11.1.: Der Arzt Jürgen de Laporte sieht mehr Schaden als Nutzen: „Für die Patienten würde es dann bedeuten, dass die Besserverdienenden es weiterhin bezahlt bekommen, die privat versichert sind. Aber diejenigen, die es jetzt von den Kassen erstattet bekommen, nicht mehr. Und das würde ich ungerecht finden.“
  • Welt TV,11.1.: „Homöopathie ist wissenschaftsbasiert, das belegen viele Studien – sei es Grundlagenforschung, sei es klinische Forschung, sei es Versorgungsforschung.“
  • ARD Tagesschau,11.1.: „Hausärztin Cornelia Piper behandelt Patientinnen und Patienten seit 30 Jahren auch homöopathisch. Sie habe gute Erfahrungen damit gemacht: ‚Es ist für mich eine wunderbare Gelegenheit, Patienten helfen zu können, die man auf anderen Wegen nicht hilft.'“ (ab Minute 5:30)
  • FAZ, 12. Januar: „Homöopathie werde von ihr und ihren Kolleginnen und Kollegen begleitend zur konventionellen Medizin eingesetzt, sagte Geiger. „Viele Patientinnen und Patienten kommen ganz gezielt wegen der Homöopathie in unsere Arztpraxen, vor allem auch bei chronischen Erkrankungen.“
  • BR24, 12. Januar: Die Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte, Geiger, warnte vor einer „therapeutischen Monokultur“. Dabei erlebe man täglich in der Praxis, dass die Vielfalt der Therapie medizinisch sinnvoll sei.
  • NZZ,12.1.: …die Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte, Michaela Geiger, dass eine Streichung der freiwilligen Kassenleistung Homöopathie das Therapieangebot in der ärztlichen Versorgung einschränken würde.
  • DLF, 13.1.: Wie geht’s weiter mit der Homöopathie? Interview mit Dr. Michaela Geiger
  • DLF, 20.1.: Pro und Kontra mit Jürgen de Laporte und Jürgen Windeler

Debatte Homöopathie als freiwillige Kassenleistung streichen, das sagen Landesminister

Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) bezeichnete Lauterbachs Plan in der Frankenpost als „eine politische Nebelkerze“. Offensichtlich solle mit dieser Diskussion davon abgelenkt werden, dass die Bundesregierung bei der notwendigen Finanzierungsreform der gesetzlichen Krankenkassen nicht vorankomme. Die evidenzbasierte moderne Medizin müsse zwar der Maßstab für die Versorgung sein. Es bestehe aber in der Bevölkerung durchaus auch der Wunsch nach ganzheitlichen alternativen Behandlungsansätzen. Wichtig sei, die Grenzen dieser Methoden zu kennen – „und das sollte der Entscheidung der Krankenkassen und der Versicherten wie bisher überlassen bleiben“, sagte Gerlach. (Quelle)

Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha warf Lauterbach „Nebelkerzen zulasten der Homöopathie“ vor. Es handle sich um eine „scheinheilige Evidenz-versus-Kosten-Debatte“, sagte er dem Tagesspiegel. Viele Menschen vertrauten der Homöopathie, weil sie damit offensichtlich gute Erfahrungen machen würden, sagte der Grünenpolitiker weiter. Auch Lucha sagte, es lasse sich hier kaum etwas einsparen. Hier stünden zehn Millionen Euro gegen eine Finanzierungslücke der gesetzlichen Kassen von 3,2 Milliarden Euro. (Quelle)

Die wichtigsten Argumente in der  Debatte um Homöopathie als freiwillige Kassenleistung

  • Eine Streichung der freiwilligen Kassenleistung Homöopathie würde das Therapieangebot in der ärztlichen Versorgung einschränken. Es würde eine therapeutische Monokultur in den Praxen entstehen – die Leidtragenden wären die Patienten.
  • Wir erleben täglich in der Praxis, dass die Therapievielfalt medizinisch sinnvoll ist. Homöopathie wird von uns begleitend zur konventionellen Medizin eingesetzt. Viele Patientinnen und Patienten kommen ganz gezielt wegen der Homöopathie in unsere Arztpraxen, vor allem auch bei chronischen Erkrankungen.
  • Die freiwillige Kassenleistung ist wichtig, denn nur so erhalten Patienten die ärztliche Homöopathie auf ‚Chipkarte‘. Zusatzversicherungen kosten Geld, das können sich nicht alle Patienten leisten – Homöopathie aber ist versorgungsrelevant.
  • Homöopathie ist evidenzbasierte Medizin nach der Definition des Begründers der EbM (Evidenzbasierte Medizin) Dr. David Sackett. Die EbM steht auf den drei Säulen, der externen Evidenz der Wissenschaft, der Erfahrung der Ärzte / Ärztinnen und der Präferenz der Patienten. Diese Kriterien erfüllt die Homöopathie.

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Der Deutsche Ärztekongress für Homöopathie findet vom 9. bis 11. Mai 2024 in Lindau / Bodensee stattfindet. Ausrichter des Kongresses ist der DZVhÄ. Informationen zum Kongress erhalten Sie hier: www.homoeopathie-kongress.de.

2024-01-22T16:37:59+01:00

Trotz Lauterbach – Homöopathie ist evidenzbasierte Medizin

Berlin, 16. Januar 2024. Homöopathie ist evidenzbasierte Medizin. Gesundheitsminister Karl Lauterbach möchte die Homöopathie dennoch als freiwillige Kassenleistung streichen. Da das Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung für das Jahr 2023 auf 17 Milliarden Euro geschätzt wird, muss Lauterbach handeln – und setzt bei der Homöopathie an, die mit etwa 10 Millionen Euro zu Buche schlägt.

In Lauterbachs „Empfehlungsschreiben für eine stabile, verlässliche und solidarische Fianzierung der gesetzlichen Krankenversicherung“ vom Mai 2023, dass dem Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) vorliegt, reichen gerade vier Zeilen, um der Homöopathie den Garaus zu machen – jedoch ohne einen einzigen Beleg für die Behauptungen. Betroffen davon sind jedoch Millionen Patientinnen und Patienten und tausende Ärztinnen und Ärzte. In dem offiziellen Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit wird nur ein Grund für das angestrebte Aus der Homöopathie in der GKV genannt: Homöopathie habe keinen medizinisch belegbaren Nutzen. Lauterbach ergänzt via X (ehemals Twitter): „Die Grundlage unserer Politik muss die wissenschaftliche Evidenz sein.“ „Wenn Lauterbach aus Gründen der Evidenz die Homöopathie streichen möchte, müsste er dies mit etwa 80 Prozent der Kassenleistungen tun“, urteilt Dr. med. Michaela Geiger, Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ).

Homöopathie ist evidenzbasierte Medizin – Hintergrund

Homöopathie ist evidenzbasierte Medizin (EbM) nach der Definition ihres Begründers Dr. David Sackett. Die EbM steht auf diesen drei Säulen: der externen Evidenz der Wissenschaft, der Erfahrung der Ärztinnen und Ärzte der Präferenz der Patientinnen und Patienten. Diese Kriterien erfüllt die Homöopathie.

Häufig wird alleine der Fokus auf die externe Evidenz der Wissenschaft gelegt, so auch von Minister Lauterbach. Schaut man sich den Stand der Forschung zur Homöopathie einmal genauer an, sehen wir qualitativ gute Studien, die der Homöopathie eine belegbare Wirksamkeit über Placebo bescheinigen. Hier werden nur zwei Beispiele genannt:

  • „Wirksamkeit der homöopathischen Behandlung: Systematische Überprüfung von Meta-Analysen randomisierter, placebokontrollierter Homöopathie-Studien für jede Indikation“, Oktober 2023. Fazit: Homöopathie wirkt besser als Placebo. 5 der 6 Metaanalysen enthielten eine Effektschätzung für alle eingeschlossenen Studien. Alle 5 zeigten signifikant positive Effekte der Homöopathie, im Vergleich zu Placebo. Die methodische Qualität der Homöopathiestudien war ähnlich wie bei anderen klinischen Studien mit gleichem Design, aus einem vergleichbaren Zeitraum und bewertet nach gleichen Kriterien. Zur Studie.
  • Universität Bern: „Fasst man den aktuellen Stand der präklinischen und klinischen Forschung zusammen, kann man schlussfolgern, dass homöopathische Präparate spezifische Wirkungen zeigen, die sich von Placebo unterscheiden, wenn sie adäquat eingesetzt werden…“ Zur Studie.

Homöopathie ist evidenzbasierte Medizin – auf den Punkt

  • Eine Streichung der freiwilligen Kassenleistung Homöopathie würde das Therapieangebot in der ärztlichen Versorgung einschränken. Es würde eine therapeutische Monokultur in den Praxen entstehen – die Leidtragenden wären die Patienten.
  • Homöopathisch tätige Ärztinnen und Ärzte erleben täglich in der Praxis, dass die Therapievielfalt medizinisch sinnvoll ist. Homöopathie wird begleitend zur konventionellen Medizin eingesetzt. Viele Patientinnen und Patienten kommen gezielt wegen der Homöopathie in die Arztpraxen, vor allem auch bei chronischen Erkrankungen.
  • Die freiwillige Kassenleistung ist wichtig, denn nur so erhalten Patientinnen und Patienten die ärztliche Homöopathie auf ‚Chipkarte‘. Zusatzversicherungen kosten Geld, das können sich nicht alle Patienten leisten – Homöopathie aber ist versorgungsrelevant.
  • Homöopathie ist evidenzbasierte Medizin nach der Definition des Begründers der EbM (Evidenzbasierte Medizin) Dr. David Sackett. Die EbM steht auf den drei Säulen, der externen Evidenz der Wissenschaft, der Erfahrung der Ärztinnen und Ärzte der Präferenz der Patientinnen und Patienten. Diese Kriterien erfüllt die Homöopathie.

„Somit fordern wir die Erhaltung der Erstattung von Satzungsleistung für Homöopathie und den weiteren Therapiemethoden der Komplementärmedizin“, so Dr. Michaela Geiger, „für die Patientinnen und Patienten – unabhängig ihrer sozialen Schicht als nachhaltige, wirksame Therapieoption in der ärztlichen Praxis.“

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Der Deutsche Ärztekongress für Homöopathie findet vom 9. bis 11. Mai 2024 in Lindau / Bodensee stattfindet. Ausrichter des Kongresses ist der DZVhÄ. Informationen zum Kongress erhalten Sie hier: www.homoeopathie-kongress.de.

2024-01-16T14:34:59+01:00

Kommentar: Lauterbach, Twitter, Homöopathie und die Wissenschaft

Ein Kommentar von Dr. med. Ulf Riker, 2. Vorsitzender des DZVhÄ

Im März dieses Jahres twitterte unser Gesundheitsminister: „Wir brauchen mehr Wissenschaft … und nicht weniger“. Recht hat er, der Lauterbach, ganz ohne Zweifel: unsere moderne und in bestimmten Bereichen hocheffektive Medizin wäre ohne die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft  und ihrer Hilfstruppen aus Pharmazie oder Medizintechnik gar nicht denkbar. Ein Schelm, der annimmt, dass homöopathische ÄrztInnen daran zweifeln würden!

Woran man aber zweifeln darf ist die Plausibilität eines Denkmodells, in dem Wissenschaft als reine Natur-Wissenschaft absolut gesetzt wird. Seit langer Zeit und bis zum heutigen Tag postuliert diese Wissenschaft den Alleinvertretungsanspruch für Erkenntnisgewinn, ist dabei aber nicht wirklich bereit einzuräumen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse nicht mehr sind als Wahrscheinlichkeiten, die aus Beobachtungen abgeleitet sind.

Mag sein, dass Herr Lauterbach sogar dem Biologen Jakob von Uexküll zustimmen würde, von dem der Satz stammt: „Die Wissenschaft von heute ist der Irrtum von morgen“. Wir halten uns aber ganz offenkundig lieber am Heute fest als an morgen zu denken. Ein Beispiel: vor 50 Jahren hat der Club of Rome vor den Grenzen des Wachstums gewarnt, das damalige Handeln von Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft war ohne Zweifel wissenschaftsbasiert, die Warnung vor den Folgen freilich war es auch! Gewonnen hat das weiter so, vor den Konsequenzen in Form mehrerer paralleler Krisen stehen wir heute. Wie viele PolitikerInnen oder WissenschaftlerInnen kennen Sie, die heute öffentlich einräumen: ja, wir haben uns verrannt, wir hätten damals anders handeln müssen, es tut uns leid, wir haben uns getäuscht…? (Ach so, da hat doch eben unser Bundespräsident bekannt, dass er sich in der Russlandpolitik mitsamt vielen anderen hochrangigen Politikern getäuscht hat. Das hat immerhin ein gewisse Größe, auch wenn der entstandene Schaden noch größer ist…).

Und heute? Wir finden Mikroplastik in unserem Blutkreislauf, wir messen sinkende Grundwasserstände, wir investieren Milliarden in Renaturierung ganzer Landschaften, das Umweltbundesamt warnt vor zukünftig immer mehr Arzneimitttelrückständen in den Gewässern, große Geldsummen müssen als Folge anfälliger Monokulturen in Wald-Umbauprogramme investiert werden. Und so weiter. Alles von Wissenschaftlern aller möglichen Fachrichtungen mit- und vorausgedacht, nach „derzeitigem Wissensstand“ jederzeit gesichert.

Nachhaltiges Denken und Handeln sieht anders aus! „Irrtümer entstehen durch geschlossene Denk-Kollektive“, so fasste es der Biologe, Immunologe und Erkenntnistheoretiker Ludwig Fleck schon vor einem halben Jahrhundert zusammen und wies auf die Beharrungstendenz etablierter Denkstile hin. Max Planck trieb diesen Gedanken auf die Spitze und gab zu bedenken, dass sich neue Ideen erst dann durchsetzen können, wenn die Vertreter der alten ausgestorben seien.

Können wir in Zeiten sich gegenseitig verstärkender Krisen auf das Aussterben von Denkmodellen mit empirisch fragwürdigem Gehalt warten? Reichen lineare und teilweise monokausale wissenschaftliche Denkfiguren aus?  Oder braucht nicht doch unser Portfolio der Erkenntnismöglichkeiten Ergänzung, z.B. durch emotionale Intelligenz, Erfahrung oder Intuition? „Der Gegenstand ärztlicher Erkenntnis selbst unterscheidet sich im Grundsatz vom Gegenstand naturwissenschaftlicher Erkenntnis. Während der Naturwissenschaftler typische, normale Phänomene sucht, studiert der Arzt gerade die nichttypischen, nicht normalen, krankhaften Phänomene.“ Vielleicht eine Brücke zwischen naturwissenschaftlich orientierter Medizin und Homöopathie mit dem Zugewinn von Ressourcenschonung, Nachhaltigkeit und breiter Akzeptanz unter Menschen, die Gegenwart und Zukunft in ihrer ganzen Komplexität und Vielfalt berücksichtigt wissen möchten. Wie wäre es, lieber Herr Gesundheitsminister, wenn wir alle gemeinsam etwas breiter denken würden, wie viel von welcher Wissenschaft wir eigentlich brauchen und wie wir mit ihrer Hilfe, aber auch mit ergänzenden tools den „One Health“-Gedanken in gegenseitigem Respekt umsetzen und Zukunft sichern können?

2022-07-14T16:50:48+02:00
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